Eine Frau hätte sich kürzlich, hat mir gestern meine Freundin gesagt, masslos geärgert über den Preis für eine einfache Todesanzeige, die sie in ihrer hier nicht namentlich genannten Tageszeitung platzieren wollte. 700 Franken, wenn ich richtig verstanden habe. 700 Franken? Ich bin schockiert. Aber wahrscheinlich waren die Preise für Todesanzeigen schon vor 18 Jahren so exorbitant, als meine Eltern starben. Bloss war ich damals so von meiner masslosen Trauer umnebelt, dass ich gar nicht nach dem Preis fragte und die Rechnung mit der Telefonrechnung und der Rechnung des EWZ beglich, die sich unauffällig unter die Kondolenzbriefe mischten. Das Leben geht schliesslich weiter.
Worum geht es aber hier? Es geht darum, dass Menschen, die beim Eintreten des Todes eines Angehörigen unvermittelt zu Hinterbliebenen werden, ihrer Umgebung mitteilen möchten, dass ein Mensch nicht mehr existiert. Ein Mensch, den sie gern hatten, der ihnen etwas bedeutete, den sie vermissen werden. Sonst hätten sie es wohl bei einem Vermerk in den kostenlosen amtlichen Mitteilungen belassen.
700 Franken. Skandalös.
Es würde mich interessieren, von besagter, hier nicht namentlich genannter Tageszeitung zu erfahren, wie hoch die jährlichen Einnahmen aus Todesanzeigen sind. Wieviele Prozente des Budgets holt man auf diese miese Art herein? Habt ihr dieses Geld wirklich nötig, Jungs?
Gut, man kann immer argumentieren, dass die Leute ja nicht öffentlich sterben müssen, wen sie es nicht vermögen. Aber man muss sich einmal vorstellen, wohin diese schäbige Entwicklung noch führen wird.
Wenn man die Kommerzialisierung im Sektor Ableben konsequent weiterdenkt, kann sie bei steigenden Preisen nur zu einem führen: zum Sponsoring.
Hinterbliebene, die nicht über das Geld verfügen (wir mussten uns entscheiden: ein Sarg oder eine Todesanzeige) oder es nicht ausgeben wollen, können ihre Todesanzeige sponsern lassen.
Das wird dann ungefähr so aussehen: „Nach langer, dank Panadol gottseidank schmerzloser Krankheit, ist gestern im Alter von…“. Oder: „Unser Vater, Grossvater, Onkel, Götti, Bruder und Opelfahrer ist nach einer pannenfreien Fahrt durch ein langes Leben…“. Oder: „Sie hat die ganze Süsse eines Lebens in sich aufgesogen und dabei so manche harte Nuss geknackt“ (sponsored by Ragusa). Auf diese doch recht diskrete und dezente Art (You die, wie tell!), an die wir uns bald gewöhnt haben werden (wir gewöhnen uns schliesslich an alles), lassen sich die Kosten für eine Todesanzeige in etwa halbieren. Wer für die Todesanzeige gar kein Geld zur Verfügung hat oder ausgeben will, kann Option zwei anklicken: You die – we sell! Das sieht dann ungefähr so aus: „Als XY das Licht dieser Welt erblickte, füllte ein Computer noch das halbe Büro seines Vaters. Heute bringt der Handheld von Toshiba seiner Enkel spielend die gleiche Leistung.“ Oder: „Du hast Dein Leben lang kommuniziert. Wir sind bestürzt, dass wir von Dir keine SMS mehr erhalten sollen. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Der Ausbau des Netzes geht weiter! (sponsered by Orange- stay in Touch!). Zugegeben, bei dieser Art Todesanzeige tritt die Individualität des Verstorbenen etwas in den Hintergrund, aber gerade darin sind die Toten ja stark. Der grosse Vorteil ist, dass sich je nach Grösse und Aufmachung nicht nur die Anzeige selber, sondern die Begräbniskosten und vielleicht sogar das Leichenmahl finanzieren lassen. Bei wichtigen Persönlichkeiten, die als Gründungsvater, Globalpionier, Verwaltungsratspräsident, Zunftmitglied, und Ehrenpräsident der Sharholdergilde schon heute eine halbe oder eine ganze Seite mit ihrem Mehrfachtod schmücken, wäre natürlich noch mehr herauszuholen. „Als Mitglied der Geschäftsleitung hat er noch in seinem letzten Geschäftsjahr dafür gesorgt, dass unsere Bank (farbig, kursiv und fett gedruckt, mit blinkendem Logo) ihren Spitzenplatz im Bereich Kleinkundendramatik nicht nur behaupten, sondern gegenüber der Konkurrenz massiv ausbauen konnte. Es sind Menschen wie EX, die Jahr für Jahr dafür sorgen, dass wir unseren Kunden das bieten, was sie verdient haben: das Beste. Erich: Die Aktionäre danken Dir!“
Pietätlos, sagen Sie? 700 Franken sind pietätlos. Die Frau, die sich masslos ärgerte, habe auf die Todesanzeige verzichtet und dafür ihr Abonnement bei besagter Tagesanzeitung per sofort gekündigt. Wäre es da nicht klüger und auf jeden Fall profitträchtiger (und darum geht es ja alleine) gewesen, die Zeitung hätte die Kosten für das Inserat selber übernommen?
„Rudolf K. hat uns verlassen. Wir trauern mit seinen Angehörigen um einen lieben Vater, Grossvater, Onkel, Bruder und langjährigen Abonnenten.“
Kommentar verfassen