Tschik-tschak oder die Erledigung des Lebens

„Tschik-tschak – it’s done!“ pflegt mein Fahrer mich jeweils mit einem nachsichtigen Lächeln zu unterbrechen, wenn ich mal wieder staune, weil er einmal mehr etwas, wonach ich ihn gerade fragen wollte, bereits erledigt hat, und es ist mir dann jedes Mal peinlich, dass ich überhaupt meinte, fragen zu müssen. 

Wir sind uns in vielem sehr ähnlich, mein Fahrer und ich. Man muss uns die Dinge nicht zweimal sagen, manche nicht einmal ein Mal, damit sie erledigt werden. Man nennt es Pflichtgefühl, und es ist im Grunde genommen etwas Gutes. Die Dinge müssen getan werden, die Arbeiten verrichtet, die Aufträge erfüllt, die Geschäfte erledigt. Menschen, die anpacken, sind in der Regel angenehme Zeitgenossen. Im Grunde genommen. In der Regel.

Die Einschränkungen sind altbekannt. Idiotische Dinge zu tun, ist sinnlos (auch wenn es manchmal Spass macht). Unnötige Arbeiten gut zu verrichten, ist langweilig und macht auf die Länge depressiv. Bösartige Aufträge zur Zufriedenheit des Auftraggebers zu erfüllen, ist verwerflich. Und Geschäfte, deren Auswirkungen man nicht durchschaut, prompt zu erledigen, kann gefährlich sein.

Das ist keine Kritik an meinem Fahrer. Er ist ein wunderbarer Mensch und ich wüsste nicht, was ich ohne ihn tun würde. Tschik-tschak ist für praktisch alle Tätigkeiten, die er für mich und die Botschaft erledigt, ein gutes, weil taugliches Rezept. Das Problem liegt an einem anderen Ort. Wahrscheinlich wie immer hauptsächlich bei mir.

Tschik-tschak ist auch für meinen Arbeitsalltag keine schlechte Devise. Vieles (manchmal denke ich, und bedaure das: fast alles) muss ganz einfach erledigt werden, je rascher, desto besser. Wenn man darüber nachdenken würde, hätte man ein Problem, würde den Rhythmus der Verrichtungen verlangsamen, käme ins Stocken und Stolpern, würde womöglich hinfallen, wie wir alle hinfallen müssten, wenn unser Bewusstsein unsere Motorik steuern müsste beim Treppensteigen. Vieles, wovon wir glauben, dass es getan werden muss, kriegen wir nur im Autopilot auf die Reihe. Also tschik-tschak. Ein Ding nach dem andern. Auch wenn es davon, dass es erledigt ist, nicht besser wird.

Vollends problematisch wird es, wenn tschik-tschak als bestimmende Leitschnur im Arbeitsalltag so mächtig wird, dass es als Prinzip die ganze Persönlichkeit übernimmt und auch im Privatleben dominant wird. Wenn auch der Kaffee in den Arbeitspausen tschik-tschak getrunken und das Mittagessen tschik-tschak gegessen wird. Wenn am Abend der Haushalt tschik-tschak gemacht, die Tagesschau tschik-tschak reingezogen wird und danach die Fotos von Weihnachten tschik-tschak eingeklebt werden. Bevor man tschik-tschak die Zähne putzt und tschik-tschak zu Bett geht, um am nächsten Morgen tschik-tschak aufzustehen, ready for a brand new day, der tschik-tschak erledigt sein wird. Und am nächsten Tag weiter so. Und am übernächsten auch. Und so gehen dann die Wochen, die Monate, die Jahre vorbei. Tschik-tschak und tschüss.

 

Die Sonne scheint in mein Büro. Ich sollte keine solchen Sachen schreiben. Dafür bezahlt man mich nicht, ich weiss. Ich mach mich jetzt wieder an die Arbeit. Sofort. Ich verspreche es. Vielleicht werde ich mir irgendwann Zeit nehmen, um diese Gedanken ganz langsam weiter zu denken. Auf meiner Traktandenliste steht das allerdings nicht. Dort stehen lauter Dinge, die erledigt werden müssen. Und zwar tschik-tschak.

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