Are all these your guitars?

Jetzt auch noch Tunesien? Wo kann der harmlose Europäer überhaupt noch Ferien machen, ohne damit rechnen zu müssen, bald nach der Rückkehr in der Zeitung zu lesen, dass das dortige Volk viel zu lange gebeutelt, geknechtet, unterdrückt und womöglich gefoltert wurde, und nun die Fetzen fliegen und bald kein Stein mehr auf dem andern sein wird? Die sahen doch alle gerade noch ganz zufrieden aus. Oder waren das die anderen Gäste?

Was machen die denn jetzt da? Hast Du das gesehen? Fürchterliche Bilder. Da brennt ja alles. Müssen die immer gleich alles in Flammen stecken? Die verwüsten womöglich noch die schönen Hotelanlagen. Ist das Ganze am Ende eine grossflächige Verschwörung gegen den erholungsbedürftigen Europäer? Was glauben die eigentlich, wie wir unsere Schaffenskraft erhalten können, wenn wir bald nirgend mehr hinkönnen, um unseren müden Arsch ohne schlechtes Gewissen in Sonne und Meer zu baden?

Aber das scheint die nicht zu kümmern, die da im Süden, und offensichtlich kann das alles überall so weitergehen, und geht auch so weiter, bis es irgendwann dann doch nicht mehr so weitergeht.  Was sagst Du? Wir hätten es vor der Buchung wissen können? Kleingedruckt im Reiseprospekt?

Der Reiseveranstalter weist darauf hin, dass es mit der allgemeinen Beachtung der Menschenrechte,  sozialer Gerechtigkeit  und der Meinungsfreiheit ausserhalb der Hotelanlage nicht unbedingt überall jederzeit zum Besten steht. Die Mindestlöhne sind hingegen garantiert tief und die Leitungen der Hotelabwässer führen, wir haben das nachgeprüft, direkt und ungefiltert ins Meer, deutlich ausserhalb des geschützten Hotelstrandes. Sensible Hotelgäste werden trotzdem gebeten, erst zuhause wieder auf‘s Klo zu gehen und von zu hohen Trinkgeldern abzusehen – die meisten Lokalangestellten trinken nicht und fühlen sich dadurch nur herablassend behandelt. Lokale Drinks zum Abtöten ebenso seltsamer wie unnötiger Bedenken werden für zahlende Gäste jeden Abend an der Hotelbar gratis ausgegeben.

Irgendetwas läuft schief hier. Hier oder anderswo. Jedenfalls an zu vielen Orten. Bei uns. Bei den anderen. Unter uns. Zwischen den anderen. Zwischen uns und den anderen. Irgendjemand müsste irgendetwas unternehmen, irgendwann. Relativ bald. Wenn möglich vor den nächsten Ferien. In den Ferien wären wir dann gerne wieder ungestört.

Gestern hörte ich mal wieder Pink Floyd’s The Wall. Beim Intro des Songs “One of my turns” hallt diese Frauenstimme in einen grossen Raum: „My god – what a fabulous room! Are all these your guitars?“Vielleicht ist das eines unserer Probleme: zu grosse Räume, zu viele Gitarren. Aber ich weiss es nicht. Ich weiss es wirklich nicht.

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