Neurobiologen des Weizmann Instituts haben neue Zusammenhänge zwischen unserer sozialen Vernetzung und dem Entstehen falscher Erinnerungen nachgewiesen. Das Ganze läuft darauf hinaus, dass es im Hirn womöglich eine Art Pförtnerin gibt. Sie heisst Amygdala, ist ein völlig unzulängliches Abbild einer indischen Göttin, jedoch immer noch dermassen schön, dass man nicht an ihr vorbei kommt, ohne ihr alles zu erzählen, wonach sie nicht fragt. Von Amygdala ist seit längerem bekannt, dass sie das emotionale Zentrum des Gehirns ist.
Die neue Studie des Weizmann Instituts legt nun den Schluss nahe, dass sie – sozusagen im Nebenamt – auch für den Entscheid verantwortlich sein könnte, ob gewisse Informationen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden oder nicht. Die durchgeführten Experimente lassen insbesondere vermuten, dass Amygdala durch ihr emotionales Gütesiegel veranlassen kann (und dies auch tut), dass unter Umständen korrekte Daten im Langzeitgedächtnis durch falsche ersetzt werden. Dies geschähe dann, so das Forschungsergebnis, wenn durch soziale Vernetzung, also aus emotionalen Gründen, das (falsche) Urteil anderer zu einer spezifischen Frage nachträglich übernommen und das ursprünglich eigene (richtige) im Langzeitgedächtnis überschrieben wird.
Natürlich müsste man nun gleich fragen, wie man denn bitte richtig und falsch definiert, und dann wäre man vermutlich geliefert und müsste eine Existenz als Privatgelehrter beantragen. Aber eigentlich ist diese prinzipiell wichtige Frage für einmal unwesentlich. Wesentlich ist die Erkenntnis, wenn wir es denn eine sein lassen, dass unser Gedächtnis, in dem wir unsere Sichtweise auf die Welt und unser Leben darin speichern, von unseren Gefühlen, von unseren emotionalen Bindungen nicht nur geprägt sondern manipuliert wird.
Das ist nichts grundsätzlich Neues. Wir machen alle ab und zu die Erfahrung, dass wir überhaupt erst geneigt sind, hinzuhören, wenn jemand spricht, der uns einigermassen sympathisch ist, während wir uns den messerscharfen Argumenten einer Person verschliessen, die wir aus irgendeinem Grund nicht mögen. Das Problem dabei ist, dass das Richtige nicht immer sympathisch daherkommt und das Falsche nicht immer abstossend wirkt. Der Träger der Botschaft kann gut sein, die Botschaft falsch. Freunde können irren, Feinde Recht behalten.
Wir sollten mit Amygdala sprechen. Dringend. Jetzt, wo wir wissen, wie es wahrscheinlich funktioniert mit dem Gedächtnis, kann es nicht einfach so weitergehen. Hör mal, meine Liebe, bevor ich vergesse: das geht so nicht. Du kannst nicht einfach so an meinem Gedächtnis rumschrauben. Das sind meine Erinnerungen. Verstehst Du, was ich meine? Hörst Du mir überhaupt zu? Oder magst Du mich am Ende nicht?
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