Ich möchte überall noch einmal hin. Sogar da, wo ich gerade bin.
Ich weiss, dass man nicht zurückkehren kann. Und es liegt nicht nur daran, dass man keine passenden Kleider hat. Es ist jedem noch so nostalgischen Deppen klar, dass dort, wo er einst glücklich war, unterdessen schon lange alles anders ist, und selbst wenn es noch genau so wäre wie damals, würde ihn spätestens bei der Ankunft der Blick in den Spiegel auf dem Flughafenklo daran erinnern: Man kehrt nicht zurück.
Weshalb also überhaupt reisen, und wozu dann dieses Gedränge hier? Warum fehlt schon wieder das Papier, um sich die Hände zu trocknen? Soll ich meine Hände etwa in diesen Windkanal stecken? Wer hat das bloss wieder erfunden.
Hätte ich wenigstens die verschiedenen Zettel dabei, auf denen ich mir letzte Nacht all die Dinge notiert hatte, die ich nicht vergessen wollte. Ich hatte die Reise im Traum geplant, weil man es bleiben lässt, wenn man alles vernünftig abwägt. Im Traum liegen überall Notizzettel bereit, auf denen man sich notiert, was man nach der Ankunft unternehmen will. Auch die Koffer packen sich leichter im Traum. Man kommt nie auf 20kg. Im Tor zum Erwachen steht dann sowieso ein Zöllner, der alles beschlagnahmt: das Gepäck, den Pass und die Notizen. Gute Reise, Dummkopf.
Man kann ihn nicht täuschen oder austricksen. Nicht einmal, indem man im Traum oder im Flugzeug sitzen bleibt und sich schlafend stellt.
Den Taxifahrer frage ich dann nach dem Glück, während er mich irgendwo hinfährt, was er für eine Adresse hält. Was ist letztendlich Glück oder das, wohin wir zurückkehren würden, wenn wir könnten? Sie verstehen doch Deutsch? Warum reisen wir überhaupt? Es kann ja nicht sein, dass wir Neues entdecken wollen, oder? Läuft eigentlich der Taxameter?
Als ich zwölf Jahre alt war, sagt der Mann ein wenig später und nachdem ich ihn für taub gehalten hatte, während er auf einer langen Geraden langsam beschleunigt, und sucht mich dabei im Rückspiegel, als ich zwölf Jahre alt war, war Glück, wenn ich an einem Sonntag erwachte und das Geräusch von Regen nicht hörte. Noch vor dem Öffnen der Augen wusste ich, dass mein Fussballspiel stattfinden würde. Ob wir dann verloren oder gewannen war weniger wichtig. Schlimm war, wenn das Spiel nicht stattfand. Schlimm für einen Zwölfjährigen, der das unfassbare Glück hatte, in der Schweiz wohlbehütet aufwachsen zu dürfen. Schlimm also im Sinne von überhaupt nicht schlimm.
Nicht schlimm vielleicht , dachte ich, aber dennoch das Gefühl von Abwesenheit von Glück, wenn er beim Aufwachen das Trommeln der Regentropfen auf den Rollladen hörte. Oder eben gutes, solides Glück, wenn es nicht regnete, wenn der Rollladen stumm blieb.
Als wir an einer Kreuzung wegen eine roten Ampel anhalten müssen, ist unser Taxi plötzlich von Demonstranten umringt, die Plakate und Banner tragen und Parolen schreien. Ein paar der Demonstranten nähern sich bedrohlich dem Taxi und schwingen Fäuste und Stöcke in Richtung des Fahrers. Ich bin im realen Leben kein so mutiger Mensch, aber bitte, wir sind in einem Traum, und so steige ich aus wie im Film und gebiete dem Treiben Einhalt: Lasst den Jungen in Ruhe. Er hat niemandem etwas getan. Schon sein Vater war Taxifahrer. Versteht ihr? Glück ist unfassbar.
Auf dem Heimflug (ich muss mit einem Ersatzpass reisen, weil ich den alten offenbar im Windkanal verloren habe) lösche ich dann die Fotos von meinem iPhone, die ich nicht behalten will. Eigentlich will ich gar keine behalten, aber das System verweigert mir den Zugriff. Löschfunktion momentan nicht verfügbar. Versuchen Sie es später oder downloaden sie jetzt die neue App „Papperlapp-App“, um ihre Fotos in Zukunft gleich bei der Aufnahme zu löschen.
Vielleicht ist das gar nicht der Heimflug, geht es mir durch den Kopf, während ich unter mir kleine Inseln sehe, die vermutlich auf Facebook Freunde des Festlandsockels sind. Und wer weiss, wo ich gerade war. Ich nehme mir vor, nachzuschauen, in welchem Land man mit 12 Taxis fahren darf. Ich bin sicher, es gibt auf dem Netz einen Ländervergleich. Und wenn ich schon auf dem Netz bin: saugkräftiges Notizpapier. Wenn möglich selbst kompostierend. Und ein paar andere Dinge, die mich neulich kurz interessiert haben. Stichworte genügen. Ich brauche keine ganzen Artikel. Das behält keine Sau.
27. Mai 2013 um 16:11
gut getroffen, superb !
by the waygerade gestern mit
einer amerik. freundin in hong kong über ihre
kurze lehrerzeit vor ca. 25 j. in ankara gesprochen. ihr geblieben: cappadokia…
gruess uus hong kong
der reisende