(mein Textprogramm, der Nationalfeiertag, die Demokratie und ich)
Es ist ärgerlich. Das Textprogramm hat das zweite erste mit einer roten Wellenlinie unterlegt. Gleich im Titel. Es hält es für einen Fehler. Meinen Fehler. Es möchte, dass ich es lösche. Es meint womöglich, ich sei unkonzentriert, weil es früh am Morgen ist. Dabei bin ich hell wach und angezogen und es ist alles korrekt.
Man kann durchaus von einem aller ersten ersten August schreiben, und kein Textprogramm, das ernst genommen werden will, sollte eine rote Wellenlinie unter das zweite erste legen.
Es gab einmal einen aller ersten ersten August, ob es dem Textprogramm passt oder nicht.
Es hat es schon wieder rot unterlegt. Es ist tatsächlich überzeugt, dass ich imstande bin, aus Versehen zweimal hintereinander dasselbe Wort zweimal hintereinander zu schreiben. Es hält mich für einen Vollidioten. Es hält mich für einen Vollidioten.
Es gab aber einen ersten ersten August. Zweimal sogar. Das erste Mal, als der Monat August kurz vor Christi Geburt von ein paar Römern erfunden wurde, die sich damit bei ihrem ersten Kaiser einschleimen wollten. Das zweite Mal, als der Schweizer Nationalfeiertag zum ersten Mal an diesem Datum gefeiert wurde. Einschleimen mag mein Textprogramm offenbar auch nicht, weder gross noch kleingeschrieben. Das Wort wird rot unterlegt, in der Hoffnung, ich werde es korrigieren.
Mache ich aber nicht. Es gab einmal einen ersten ersten August und es gab – und gibt sie immer noch – Leute, die sich bei ihren Vorgesetzten einschleimen. Sie werden leider nie aussterben. Hingegen wird es irgendwann einen letzten ersten August gegeben haben.
Wenn es einmal die Schweiz nicht mehr gibt. Alles, was entsteht, vergeht auch wieder. Das ist ein Naturgesetz. Und wir Schweizer lieben die Natur. Wichtig wäre uns dann aber, dass die Schweiz nicht einfach achtlos in den unsortierten Müll geworfen, sondern fachgerecht kompostiert wird, damit daraus wieder Neues entstehen kann.
Es gibt ja bereits verschwundene Staaten. Das heisst, es gibt sie nicht mehr. Sobald ich aus diesem Text raus bin, werde ich „verschwundene Staaten“ googeln. Geschichte. Geografie. Dieser Artikel enthält unvollständige Daten über vollständig verschwundene Staaten. Bitte ergänzen Sie ihn.
Vielleicht sind wir eines Tages schweizmüde. Des Paradieses, das wir in vielerlei Hinsicht sind, überdrüssig. Wollen Sie die Volksinitiative zur Abschaffung der Schweiz annehmen? Ja? Nein? Keine Zeit? Der Bundesrat empfiehlt die Initiative zur Ablehnung. Aber wisst ihr was? Macht doch, was ihr wollt!
Ich hatte in der Mittelschule einen sehr phantasievollen Freund. Er schrieb eine Geschichte, in der das Stimmvolk beschlossen hatte, die Schweiz an ein zahlungskräftiges Konglomerat aus reichen Golfstaaten zu verkaufen. Jede Schweizerin und jeder Schweizer erhielt drei Millionen in bar.
Gut, ich gebe zu, diese Variante ist eher unwahrscheinlich. Auch schweizmüde Schweizerinnen und Schweizer würden auf den Deal nicht eintreten. Uns fehlt einfach das notwendige Vertrauen, soviel Geld auf einer ausländischen Bank anzulegen. Können die ein Geheimnis für uns behalten? Obwohl das eigentlich gar keine Rolle mehr spielen würde. Ein Konto im Ausland macht wenig Sinn, wenn man keinen Staat mehr hat, dem man die Steuern hinterziehen kann.
Wahrscheinlicher ist, dass es eines Tages den 1. August nicht mehr gibt, weil per Volksabstimmung beschlossen wurde, an einem anderen Datum zu feiern. Wegen der globalen Erwärmung.
Irgendwann war es in den Sommermonaten dermassen heiss und alles so furztrocken, dass beim Feuerwerk jeweils die halbe Schweiz abbrannte. Also beschloss man irgendwann, am 1. Februar zu feiern. Das war dann auch logistisch viel einfacher, weil man das Feuerwerk für die Neujahrsfeier und dasjenige für den Nationalfeiertag gleich zusammen einkaufen konnte.
Der letzte erste August könnte auch durch die Erfindung eines neuen Kalenders entstehen. Es muss ja nicht immer und ewig alles so bleiben, wie es ist. Ob Januar bis Dezember oder sonst irgendwelche Bezeichnungen – was kümmert das den Mond? Namen sind Schall und Rauch.
Und à propos Schall und Rauch: es gibt natürlich noch den persönlichen letzten ersten August. Irgendwann kommt er, ob man es merkt oder nicht.
Mein Textprogramm mag à propos nicht. Mit dem letzten ersten August hat es hingegen kein Problem. Keine roten Wellenlinien. Keine Lampions. Kein Feuerwerk. Ein ganz gewöhnlicher Sommerabend. Lasst uns feiern.
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