Kein Betreff

Hier geht es um nichts. Man braucht mindestens einen Adressaten, aber nicht notwendigerweise einen Betreff. Man braucht nicht einmal einen Inhalt. Wollen Sie die Nachricht trotzdem versenden? ABER SELBSTVERSTÄNDLICH! Entscheidend ist ohnehin die Zahl und Identität der Einkopierten. Der Hauptadressat ist ein Alibi, ein Platzhalter. Er ist gar nicht gemeint, entweder längst gestorben oder total unfähig, die Nachricht zu verstehen. Seit Jahren kommt das selbe Out of office zurück: „Ich bin im Moment überfordert und habe nur sporadisch Zugriff auf mein Hirn. In dringenden Fällen können Sie sich selber beeilen.“

Die Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine sei ein Krieg der Lügen, titelt heute eine renommierte Schweizer Zeitung, berichtet dann aber lediglich zu Beginn des Artikels von „einer Reihe von unbeholfenen Versuchen der ukrainischen Regierung, Tatsachen und Beweise zurechtzubiegen“. Der Rest des Artikels ist dann fast ausschliesslich den üblen Machenschaften des russischen Propagandaapparats gewidmet. Der geneigte Leser versteht natürlich sofort: auf der einen Seite ein paar unbeholfene Versuche („Lasst das doch bitte, Kinder!“), auf der anderen ausgewachsene Propagandalügen, mit denen eine militärische Intervention vorbereitet wird. Kennen wir. Natürlich wird auch noch erwähnt, dass die sich in Russland Propaganda gewöhnt sind. Die kennen nichts anderes. Die glauben das alles und gerne.

Wenigstens wird in einem Kasten noch der einen oder anderen historisch verbrieften Kriegs-Lüge gedacht, mit der angesehene westliche PR-Firmen für gutes Geld die Unterstützung der westlichen Öffentlichkeit für Kriege im Mittleren Osten und auf dem Balkan fabriziert haben. Gestellte Bilder, gefälschte Interviews. Alles sehr professionell angefertigt, von PR-Firmen, die auch heute, nachdem ihre Lügen erwiesen sind, souverän und erfolgreich in über 50 Ländern tätig sind und weiterhin für jeden zahlungskräftigen Auftraggeber absolut glaubhafte Realitäten produzieren, die – was für eine Überraschung! – wunderbar in unser Weltbild passen. Hier gut, dort böse. Hier Betty, dort Bossy. Guten Appetit allerseits.

Die Welt ist ein Unding, seit sie in unser Blickfeld gerückt ist und wir überall gleichzeitig hinschauen müssen. Wer dann nur rasch hinschaut, und wir schauen aus Zeitgründen überall nur rasch hin, kann sich flüchtig täuschen. Kann man den PR-Agenturen vorwerfen, dass sie so gut sind? Auch die Werber sind ja mittlerweile nicht schlecht. „Stay Home! – Die ideale Flüchtlingspflege für ihr Gesicht.“

Wer ist Schuld für all die Lügen? Der Lügenbildner oder der Auftraggeber? Oder sind wir es am Ende, stets bereit, zu glauben, was wir glauben wollen? Sind wir gezwungen, mit Regierungen zu leben, die uns einmal angelogen haben? Es gibt ja mittlerweile eine vom Westen als gesellschaftsfähig deklarierte Form, gewählte Regierungen loszuwerden. Man protestiert, lässt unter gütiger Mithilfe der Ordnungshüter eskalieren und fertig ist der gerechte Volksaufstand. Vorausgesetzt natürlich, dass sich die wegprotestierte Regierung gegen Osten orientierte oder islamistisch ausgerichtet war.

Haben wir keine andere Wahl, als mit PR-Agenturen weiter zu arbeiten (in über 50 Ländern!), die uns erwiesenermassen hinters Licht geführt haben? Würden zu viele Arbeitsplätze verlorengehen, wenn wir damit aufhören würden, sie dafür zu bezahlen, uns zu belügen?

Oder wäre es schon ein Fortschritt, einzusehen, dass wir nicht das Weltgeschehen verfolgen, sondern dessen Bild, das uns die Medien und PR-Agenturen im Dienst der Mächtigen präsentieren?
Man ist dort, wo man hinschaut. Aber es kommt darauf an, woher.

Vielleicht sollten wir uns auf die ungeschminkte Unterhaltung konzentrieren. Auf Youtube hat man an guten Tagen die Wahl zwischen Füchsen auf dem Trampolin und einem furzenden Hund. Ausser man lebt zum Beispiel in der Türkei und Youtube ist gerade mal gesperrt. Ich hoffe, die Füchse halten durch. Wildschweine haben letztes Jahr schwimmend den Bosporus überquert. Im Mittelalter wäre das von den Chronisten als böses Vorzeichen auf Pergament festgehalten worden. Heute geht es in der Medienflut unter, bevor die armen Schweine das andere Ufer erreicht haben.

Käpt’n Kirk ins Logbuch von Raumschiff Entenscheiss: Entfernen uns mit dreifacher Gichtgeschwindigkeit von jeglicher Vernunft. Alle im Raumschiff werden beängstigend schnell älter, obwohl das bei dieser Reisegeschwindigkeit All-auswärts eigentlich gar nicht möglich ist. Sind wir in der falschen Richtung unterwegs? Scotty hat einen läppischen weissen Bart und behauptet, das sei auf der Erde momentan gross in Mode. Spock wachsen widerliche Haare aus den Ohren. Er will es nicht wahrhaben und weigert sich, in den Spiegel zu schauen. Ich mache mir ernsthafte Sorgen über den Geisteszustand meiner Crew. Der diensthabende Arzt hat bei einem Teil der Besatzung eine galoppierende Altersverblödung festgestellt, den anderen Teil hat er unter Quarantäne gestellt, bevor er ohne Helm einen Ausflug ins All unternahm, um Küchenkräuter zu pflücken. Es ist einsam geworden auf der Brücke. Ich habe begonnen, mit mir selber zu sprechen. Over and out.

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