Erdmännchen im EDA

Ich benutze diesen Blog eigentlich nie, um mich mit meinem realen Leben zu befassen. Mit meinem realen Leben befasse ich mich in meinem realen Leben. Aber heute komme ich nicht umhin, etwas aus meinem realen Leben hier zu deponieren, auch wenn und vielleicht weil es nicht wirklich wirklich klingt, sondern eher wie eine wilde, ziemlich absurde Phantasie.

Vor ein paar Wochen habe ich auf Lync, der bundes-internen Version von „Skype for Business“, bei meinem Absender ein Bild publiziert. Sie sehen es, wenn Sei ein wenig hinunter scrollen. Gestern habe ich nun von der Zentrale folgende E-Mail erhalten, mit dem Subjekt: „Foto im Intranet / Skype for Business (Lync)“:

Sehr geehrter Herr Gschwend

Sie haben kürzlich im Intranet / Skype for Business ein Bild publiziert. Leider entspricht das Bild nicht den Vorgaben. Diese lauten folgendermassen:

– Portraitfoto
– Dimensionen: mindestens 300×300 Pixel, Dateigrösse maximal 5MB, Hochformat oder      quadratisch
– Das Bild zeigt Sie ohne weitere Personen oder Objekte

Wir bitten Sie also, bis spätestens am 14.04.2017 ein neues Bild zu hinterlegen. Andernfalls werden wir das aktuelle Bild vom Intranet entfernen.

Mit freundlichen Grüssen

Silvia Kindermann
(Name geändert)

 
Wenig später folgte eine weitere E-Mail:

 
Sehr geehrter Herr Haffner

Bitte entschuldigen Sie das Versehen (ein „Copy – Paste“ Fehler). Das Mail ist natürlich an Sie gerichtet und nicht an Herrn Gschwend.

Mit freundlichen Grüssen
Evelyne Kindermann
(Name schon wieder geändert)

Und das ist die Antwort, die ich heute verfasst und gesendet habe:

Sehr geehrte Frau Kindermann

Ich bin, ich sage Ihnen das ganz offen, sehr erleichtert, dass Sie doch noch festgestellt haben, dass ich nicht Herr Gschwend bin.
Es hätte mir wirklich Mühe gemacht, mich mit diesem Gedanken anzufreunden.
Das ist jetzt überhaupt nicht gegen Herr Gschwend gerichtet, aber es hätte mich doch sehr erstaunt und es ist einfach viel einfacher und angenehmer, sich selber zu bleiben.
Wenn ich nur schon an all die Ausweise und Dokumente denke, die ich hätte ändern müssen. Womöglich samt Passfoto.

Und damit sind wir beim von Ihnen beanstandeten Bild, das ich auf Skype aufgeschaltet habe.
Wenn Sie das Bild in der Bildersuche von Google eingeben, erfahren Sie innerhalb von 0,67 Sekunden durch 25’270’000’000 Ergebnisse, dass es sich bei der Abbildung um ein Erdmännchen handelt.

Es mag sein, dass die Dimensionen des Bilds nicht exakt den geforderten 300×300 Pixeln entsprechen. Erdmännchen haben nur eine sehr oberflächliche Vorstellung von Pixeln, und sind dazu sehr selten an der Oberfläche, weil sie sich oft in ihrer Höhle aufhalten. Die anderen von Ihnen genannten Anforderungen sind jedoch erfüllt. Das Bild zeigt ganz klar nur mich (ohne weitere Personen oder Objekte) und es handelt sich eindeutig um ein Portraitfoto, denn, sehr geehrte Frau Kindermann , ich kann und möchte es auch nicht ändern: Ich bin ein Erdmännchen.
Und ich habe das, so möchte ich gleich anfügen, dem EDA  auch nie verheimlicht.

Ich bin vor 30 Jahren als Erdmännchen zum Concours angetreten und ich werde in ein paar Jahren als Erdmännchen pensioniert werden.
Ich habe, um meinen Beruf ausüben zu können, lediglich meine Ernährung ein wenig umstellen müssen, da Insekten, Skorpione, Schnecken, Nager und Reptilien bei diplomatischen Einladungen eher selten serviert werden. Dafür kommen auch Falken, Schakale und Schlangen (meine natürlichen Feinde) in den Kreisen, in denen ich mich beruflich bewege, eher selten vor. Oder höchstens im übertragenen Sinn.

Das Diplomatenleben eignet sich vor allem im letzten Karrieredrittel ausgezeichnet für Erdmännchen, denn wir leben in Höhlen, ziehen es aber vor, von anderen Tieren gegrabene Höhlen zu beziehen und diese lediglich unseren Bedürfnissen anzupassen. Das tue ich nun schon in der vierten Residenz. Dabei habe ich auch den natürlichen Lebensraum meiner Gattung, das südliche Afrika, verlassen und habe in Europa, Asien und Nordamerika gelebt.

Aber ich will Sie nicht weiter langweilen mit den Besonderheiten des Lebens eines Erdmännchens im diplomatischen Dienst. Möglicherweise ist Herr Gschwend ja ein Elch, und wenn wir Ihnen alle lang und breit erklären, wie wir als Tiere im EDA Jahrzehnte leben und überlebt haben, haben Sie am Ende keine Zeit mehr für die Informatik. Auch ich muss mich jetzt wieder meiner Arbeit zuwenden, denn Erdmännchen sind tagaktiv und wir sind in der Türkei zwei Stunden voraus, das heisst, der Abend ist nach dem Mittag nicht mehr sehr weit und ich werde mich schon bald wieder in meine Höhle zurückziehen.

Liebe Frau Kindermann , ich muss leider zum Schluss kommen.
Zuerst dachte ich, Sie würden sich wegen den dunklen Ringen unter meinen Augen Sorgen machen um meine Gesundheit oder daraus schliessen, ich arbeite zu viel und schlafe zu wenig, und ich war bereits ein bisschen gerührt, dass Sie mir empfehlen würden, im Herbst meiner Karriere aus Gesundheitsgründen weniger zu arbeiten. Ich hätte Sie beruhigen können. Wir Erdmännchen haben die Ringe auch wenn wir ausgeschlafen sind. Sie dienen dazu, zu verhindern, dass die Sonne uns beim Blick in die Ferne, wo wir nach Feinden Ausschau halten, blendet.
Aber dann schaute ich auf den Absender Ihrer E-Mail und sah, dass Sie nicht beim EDA-Personaldienst, sondern bei der EDA-Informatik angesiedelt sind.

Sie bitten mich nun, mein Bild zu entfernen und bis spätestens am 14.04.2017 ein neues Bild zu hinterlegen, und sie drohen mir an, andernfalls das aktuelle Bild vom Intranet zu entfernen.
Ich stehe nicht im Ruf, mich Anweisungen der Zentrale zu widersetzen. Ich muss Ihnen aber mitteilen, dass ich das Bild nicht durch ein neues ersetzen werde. Erdmännchen werden auf freier Wildbahn maximal 15 Jahre alt, im Zoo höchstens 12. Es gibt keine statistischen Erhebungen über das Lebensalter von Erdmännchen im diplomatischen Dienst. Ich könnte Ihnen nicht einmal sagen, wie viele wir sind. Tatsache ist, dass ich das für Erdmännchen übliche Alter schon lange überschritten habe. Ich nehme jeden weiteren Tag als Gunst und Gnade, und so werde ich es auch mit den Tagen halten, die meinem Bild noch verbleiben, bis Sie es vom Intranet nehmen, denn ich zweifle nicht daran, dass Sie ihre Drohung wahrmachen werden.

Schauen Sie mir also am 14. April noch einmal tief in die schwarz umringten Augen (meinem Lync-Bild meine ich natürlich) und dann löschen Sie es, wenn Sie es noch und nicht anders können.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich Sie deshalb nicht als Feind betrachten werde. Aber ich werde am Abend des 14. April traurig sein, wenn ich in meine Höhle zurückkehre.

Freundliche Grüsse aus Ankara,

Walter Haffner

2 Antworten to “Erdmännchen im EDA”

  1. Alois Gstettenhofer Says:

    Eine äußerst treffende und amüsante Antwort für eine sich wichtig machende Person.

  2. Anonymous Says:

    Du spinnsch doch!

    Und ich habe das, so möchte ich gleich anfügen, dem EDA auch nie verheimlicht.

    Isch min Lieblingsteil :)

    Wenigschtens händ diä au chli chönä lache… oder nöd, aber denn sinds selber schuld. To be continued…

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