Archive for the ‘Aus Walters Tierleben’ Category

Der Wertfisch

30. Januar 2011

Der Wertfisch ist ein seltener Tiefseefisch. Jedenfalls meint er das und ist jedesmal sehr erstaunt, wenn er im Spätsommer nach langwierigen Vorbereitungen, während deren er sein Schwert zweimal abstösst und seiner Umgebung ganz schön auf die Nerven gehen kann, zum Laichen in weit entfernte, seichte Gewässer aufbricht und sofort da ist.

Er schreibt diese überraschend schnelle Ankunft jedes Jahr auf’s Neue seinem flinken Schwimmstil zu und scheint sich auch nicht weiter darüber zu wundern, dass es in seinen heimatlichen Tiefen gleichviel Tageslicht hat wie an seinem Laichplatz wenige Schwertlängen unter der Wasseroberfläche.

Wertfische scheinen ein eigenes Wertesystem und eine eigene Wahrnehmung zu haben, die oft wenig mit der realen Umwelt zu tun haben, in der sie sich bewegen. Auch mit ihrer Selbsteinschätzung liegen sie zuweilen etwas schief im Wasser, was bei in Gefangenschaft geratenen Wertfischen schon dazu geführt hat, dass sie für krank oder tot gehalten und entsorgt wurden.

Wertfische eignen sich ohnehin sehr schlecht für die Haltung in Gefangenschaft, da sie sehr gesellige Tiere sind, die sich, einmal von ihrem Schwarm getrennt, einseitig ernähren und rasch an Verstopfung leiden, was zu Magenkrämpfen und einer schrägen Schwimmlage führt, worauf sie sich extrem auf die andere Seite neigen, um nicht entsorgt zu werden. Abgesehen davon, dass Wertfischen auch in sehr grosszügig angelegten Meeresaquarien die imaginäre Tiefe fehlt, sollten sie deshalb, wenn überhaupt, höchstens im Schwarm gehalten werden.

Dies wiederum ist schlecht möglich, da sich Wertfische in Gefangenschaft nicht vermehren, weil ihnen der lange Weg zum Laichplatz fehlt, und es kaum je gelingt, mehr als ein oder zwei Exemplare auf einmal zu fangen. Wenn Wertfische beim Laichen in Gefahr geraten, opfert sich spontan einer von ihnen und hilft so seinem Schwarm, zu entkommen.

Nähert sich ihnen zum Beispiel etwas Grosses, was sie nicht für ein Riff halten, das sich von den Korallen losgerissen hat, opfert sich der älteste Wertfisch (oder der mit dem längsten Schwert), indem er sich – wilde Pirouetten drehend und dabei laut grunzend – mit enormer Sprungkraft hoch in die Luft schraubt, und so unweigerlich die Aufmerksamkeit der Jäger auf sich zieht, während sich sein Schwarm lautlos auf den mehrere Meter entfernten Meeresboden sinken lässt, um dort regungslos in Schieflage zu verharren, bis der Öltanker vorüber ist.

Am meeresbiologischen Institut von Lübeck ist es einem Team von Seichtwasserpsychologen erst neulich gelungen, nachzuweisen, dass Wertfische Trauer für ihre verstorbenen Artgenossen empfinden können und dies vermutlich auch tun, solange sie über genügend Sauerstoff verfügen und selber noch am Leben sind. Wie tief diese Trauer tatsächlich geht, ist noch Gegenstand weiterer Forschungen. Es wird aber schon heute angenommen, dass die Trauer bei direkten Verwandten so gross werden kann, dass diese von ihr plattgedrückt und danach für Tiefseefische gehalten werden.

(Aus: Walters Tierleben, Sonderbeilage zur Festschrift für Professor emeritus Dr. Ernst-Ludwig Tümpel, Entdecker der Kraulquappe und Erfinder des Unterwassertoasters,  Lübeck 2007.)

Das Dramadar

28. Januar 2011

Dramadare, vor allem weibliche Exemplare mittleren Alters, würden ein ziemliches Theater veranstalten und wenn möglich den Kontakt für mehrere Wochen abbrechen, wenn ihnen jemand sagen würde, sie gehörten zur Gattung der Altweltkamele.

In der Familie der Exageranten, zu denen interessanterweise auch das zu Übertreibungen neigende Mehrschwein und der kleine Schaumschläger (ein in verdreckten Küstengewässern lebender Meeresvogel) gehören, ist das Dramadar (camelus dramadarius) wahrscheinlich die auffälligste Erscheinung. Es hat ausser ein paar äusseren Merkmalen, wie etwa seinem Höcker und den vier Beinen, wenig bis gar nichts gemeinsam mit dem Dromedar, mit dem es zu seinem aufbrausenden Unmut oft verwechselt wird.

Während der Name des Dromedars sich vom griechischen dromas (laufend) ableitet, hat das Dramadar seinen Namen erhalten, weil es aus allem immer gleich ein Drama macht, was es natürlich auf’s Heftigste abstreitet.  Erwachsene Dramadare erreichen eine Schulterhöhe von gegen 2,5 Metern, die sie, wenn sie einmal in Aufruhr geraten sind, durch Anschwellen des Höckers ohne weiteres auf 3 Meter anheben können. Sie haben sehr lange Wimpern und wiegen nachts bis 700 Kilogramm, was damit zusammenhängt, dass ihre Körpertemperatur bei Einbruch der Dunkelheit  sehr stark absinkt. Das leuchtet zwar nicht ein, aber es ist auch der Grund dafür, dass Dramadare nicht sitzen können und man sie in Opern nur im Foyer antrifft.

Als hauptsächlich tagaktive Tiere leben Dramadare in Haremsgruppen, die sich aus einem Männchen und mehreren Dutzend Weibchen zusammensetzen, die sich gegenseitig in etwas hineinsteigern. Da ihr Nachwuchs aber zu rund 80% aus männlichen Dramadaren besteht, schliessen sich die meisten heranwachsenden Männchen zu einer Art Junggesellengruppen zusammen, die grölend durch die Wüste rennen, wo sie sich nach kurzer Zeit verirren und verdursten.

(Aus: Walters Tierleben, Hirnfort am Main, 2011)

Der Weisbär

21. Januar 2011

Der Weisbär stammt vom Weissbären ab, der sich dermassen unbeliebt gemacht hatte, dass er eines schönen Frühlings mit dem Winterpelz auch das zweite „S“ abstiess. Weisbären sind heute unter den Tieren ihres angestammten Habitats (der Weisbär braucht eine farnreiche Flora und verträgt wenig Lärm) wohlgeduldet. Sie gelten zwar als etwas schrullig und tollpatschig, sind aber sehr bescheiden und wollen nie im Mittelpunkt stehen. Nicht einmal ihre Beutetiere könnten, wenn es sie geben würde,  etwas wirklich Schlechtes über sie sagen. Weisbären sind Vegetarier und ernähren sich hauptsächlich von Farn.

Obwohl Weisbären überzeugte Einzelgänger sind, können sie, wenn es darauf ankommt,  nicht alleine einschlafen. Gegen Ende November sucht sich der Weisbär deshalb ein gut genährtes Winterschaf aus und zieht sich mit ihm in seine Höhle zurück, wo er ihm Bärenflachsereien erzählt, bis es, vom Zuhören völlig erschöpft, in einen winterschlafähnlichen Tiefschlaf fällt. Erst jetzt beginnt auch der Weisbär mit dem Rücken zum Winterschaf seinen Winterschlaf, aus dem er auch dann nicht erwacht, wenn sein Winterschaf aufwacht und das Weite sucht.

Winterschafe gelten in ihren Herden, wenn sie sie wiederfinden, als heilige Kühe, was sie ziemlich verwirrt. Sie werden zwar nicht verstossen, wie man dies lange angenommen hatte, gelten aber als unberührbar, und die anderen Schafe kichern hinter ihrem Rücken. Die meisten Winterschafe sondern sich deshalb bald wieder von ihrer Herde ab und machen sich auf die Suche nach ihrem Weisbären. Wenn sie ihn wiederfinden, können sich wunderbare Lebensgemeinschaften zwischen Weisbären und Winterschafen bilden, die wegen der Vorliebe der Weisbären für Farne auch Farnbeziehungen genannt werden und oft über lange Jahre hinweg Bestand haben.

Wenn ein Winterschaf eine solche Gemeinschaft eingeht, lebt es zwischen April und November in Sichtweite „seines“ Weisbären und stellt seine Nahrung fast ausschliesslich auf Farne um. Der Weisbär lässt sich nichts anmerken, betrachtet „sein“ Winterschaf aber aus sicherer Distanz mehrere Stunden am Tag und würde sofort eingreifen, wenn es in Gefahr geraten würde. Ende November stürmt der Weisbär dann eines Tages mit grossem Getöse auf sein Winterschaf zu, um es in seine Höhle zu entführen. Das Winterschaf tut dann so, als wäre es völlig überrascht und überrumpelt, und macht jedes Jahr einen kurzen Fluchtversuch.   Weisbären, die mit einem Winterschaf eine Farnbeziehung führen, gehören zu den glücklichsten ihrer Gattung. Ihr Fell hat einen ganz besonderen Glanz und obwohl sie viel älter werden können als Schafe, sterben Weisbären meist kurz nach ihrem Winterschaf.

(Zitiert aus: Walters Tierleben, Hirnfort am Main, 2011, ohne besondere Auflagen)

Das Sumpfhorn

21. Januar 2011

Anders als das Grashorn trägt das Sumpfhorn seinen Namen nicht als Tarnung, sondern es gibt damit gleich alles über sich Preis. In seinem Fall steckt im Namen sowohl das, worin es steckt, als auch das einzige, was es normalerweise rausstreckt.

Zoolographen gehen davon aus, dass es früher auch einmal Sumpfhörner gegeben haben muss, bei denen der damals noch viel längere, buschige Schweif ebenfalls aus dem Sumpf ragte. Die Evolution hat dieses Merkmal aber früh fallen lassen, weil „Sumpfschweifhorn“ unter den damals noch zu voreiligen Schlüssen neigenden Zoologen immer wieder zur völlig falschen Annahme führte, das Tier schweife in seinen Sümpfen umher. Wer mit Hilfe einer Sumpfbrille (einfache, durchaus brauchbare Modelle können mit etwas Glück inklusive Ersatzscheibenwischer auf e-bay ersteigert werden) schon einmal ein Sumpfhorn gesehen hat, weiss, dass die Vorstellung seines Umherschweifens völlig absurd ist.

Sumpfhörner stecken meist regungslos im Sumpf, stecken ihr Horn mit den durchschnittlich 62 (bei Weibchen können es bis zu 70 sein) Nasenlöchern an die Luft und das einzige, was sich ab und zu leicht bewegt, ist ihr Stummelschwanz. Warum sich dieser bewegt, ist den Forschern noch heute ein Rätsel, und wird es vermutlich ebenso bleiben wie die Art ihrer Fortpflanzung. Dies, obwohl Sumpfhörner als Studienobjekt kaum vor der Austrocknung der letzten Sümpfe verschwinden werden.

Sie stecken zwar im Sumpf fest, haben es durch ihre Standhaftigkeit aber geschafft, sich konsequent aus der Mythologie herauszuhalten. Sie liefen auch nie Gefahr, ausgerottet zu werden. Der Hauptgrund dafür ist sicher, dass sie generell nicht laufen. Geholfen hat ihnen aber vor der Erfindung des Artenschutzes auch der Umstand, dass ihr Horn, sogar wenn man es sehr fein zerreibt und mit der Essenz von Holunderblüten vermischt, lediglich leichtes Bauchweh macht, aber keinerlei besonderen Kräfte verleiht.

Sumpfhörner gelten als extrem gutmütig. Von Natur aus selbstgenügsam, eher scheu und zurückhaltend, wären sie trotzdem im Prinzip gelegentlichen Kontakten nicht abgeneigt. Sie würden vermutlich am ehesten auf den Namen Emma oder Ladislaus hören. Da sie aber weder Ohren noch ein Gehör haben und sowieso nicht kommen könnten, fällt es nicht ins Gewicht, dass ihnen keiner ruft.

(Aus:  Walters Tierleben, Hirnfort am Main, 2011. 26., unverändert sinnlose Ausgabe)

Der Rümpfling

15. Januar 2011

Der Rümpfling wirkt ungepflegt und ist es in der Regel auch, wobei er es immer irgendwie fertig bringt, nicht zu stinken.  Dabei wäre es falsch, anzunehmen, Rümpflinge gäben überhaupt nichts auf ihr Äusseres, und völlig sinnlos, ihnen das im Gespräch     vorzuwerfen. Rümpflinge können mit Vorwürfen überhaupt nichts anfangen und sind überzeugt davon, unter anderen  Umständen sehr schön zu sein.

Wenn sie erklären müssten, warum sie immer so aussehen, als wären sie soeben von einer durchzechten Nacht  nachhause gekommen, nur um festzustellen, dass ihr wertloser Hausrat in zwei  Müllsäcken auf der Strasse steht und ihr Namensschild bereits entfernt wurde, würden sie die Frage überhören und den Fragesteller mit tiefer Missachtung strafen.

Rümpflinge sind nicht sehr kontaktfreudig. Unnötig angesprochen, geben sie oft schnoddrige oder gar keine Antworten. Wenn man es aber schafft, von einem Rümpfling akzeptiert zu werden, hat man in ihm einen treuen, wenn auch wortkargen und oft missmutigen Freund fürs Leben, und es soll schon vorgekommen sein, dass ein verliebter Rümpfling freiwillig gebadet hat.

Wenn man sie zwingt, zu viel Zeit  in Gesellschaft  notorischer  Jasager zu verbringen, können Rümpflinge extrem jazornig werden. Sie brauchen dann sofort entschiedenen Widerspruch von jemandem, der ihnen seit Längerem nahe steht und dem sie vertrauen, wenn noch verhindert werden soll, dass sie dermassen die Beherrschung verlieren, dass man sie des Landes verweist und ihnen womöglich den Bibliotheksausweis entzieht.

Rümpflinge können, wenn sie die richtigen Partner finden, sehr alt und im Alter sehr glücklich werden. Sie gehören dann zu den wenigen Lebewesen, die  weniger Falten haben als in ihrer Jugend. Sie können sich aber auch irgendwann radikal verpassen und zerknittern dann auch innerlich vor ihrer Zeit.

(Zitiert aus: Walters Tierleben, Hirnfort am Main, 2011)

Die Schuldkröte

15. Januar 2011

Die Schuldkröte hat neben ihrem Äusseren wenig gemeinsam mit der Schildkröte, obwohl sie ebenfalls zu den eierlegenden Reptilien gehört und es auch bei den Schuldkröten Land- und Wassertiere gibt. Flussschuldkröten sucht man allerdings vergebens. Das ginge ihnen zu schnell.

Schuldkröten gibt es, im Gegensatz zu den Schildkröten (die Jahrhunderte lang geduldig auf das Erscheinen der Dinosaurier gewartet hatten, nur um dann von diesen plumpen, viel zu grossen Tieren ziemlich enttäuscht zu sein), noch nicht sehr lange.  Einigermassen sicher nachweisen  kann man Schuldkröten erst, seit es Menschen mit einem Gewissen gibt, genauer genommen seit Sigmund Freud sie 1883 zufällig in seinem Garten entdeckt hat, nachdem er dort schon im Sommer 1874 auf Menschen aufmerksam geworden war, die auf ihn wirkten „…als hätten sie mit allem nichts zu tun, dies aber gründlich.“

Freud (vielleicht auch nur Freuds Gärtner, der sein Manuskript dann mit Hilfe von Freuds Haushälterin in seine geschummelten Werke geschmuggelt hat) nahm an, die Schuldkröte habe sich entwicklungsgeschichtlich aus der Unfähigkeit des Menschen entwickelt, die ganze Schuld auf sich zu nehmen. Wobei er mit „ganz“ offenbar alles meinte, was nicht in seinem Geräteschuppen verstaut werden konnte, wenn es plötzlich zu regnen begann. Wer soviel Schuld auf sich laden würde, so Freud, könnte sich nur noch sehr langsam fortbewegen und bräuchte zudem, so sein Gärtner, eine ziemlich harte Schale (Freuds Haushälterin nannte es liebevoll einen  „Panzer“) damit die Schuld nicht gleich wieder entweichen und sich auf die ahnungslos im Garten Karten spielenden Menschen verteilen könne.

Schuldkröten leben heute fast überall auf der Welt. Die Weibchen legen ihre Eier in den Sand und sobald die jungen Kröten geschlüpft sind, sind sie selber schuld.  Wasserschuldkröten rennen dann so rasch wie möglich ins Meer. Viele von ihnen werden aber gleich nach dem Schlüpfen von Lachmöwen gedemütigt und werden, auch wenn sie das Meer noch erreichen,  später nie mehr ganz froh. Der einzige natürliche Feind der Landschuldkröten ist die Spottdrossel. Schuldkröten können schlecht mit Spott umgehen. Wenn es ihnen zuviel wird, erzählen sie sich in ihren Verstecken indianische Mythen, wie zum Beispiel die Vorstellung der Irokesen, dass die Erde sich auf dem Rücken einer Schuldkröte befindet. Die Schuldkröten wissen zwar, dass dies eine grobe Vereinfachung ist , und sie nur die Schuld der Erde auf ihrem Rücken tragen, aber die Vorstellung tröstet sie irgendwie.

(Zitiert aus: Walters Tierleben, Hirnfort am Main, 2011, Sechste, total überarbeitete und ferienreife Ausgabe)

Der Pleier

26. September 2010
In der biologischen Systematik gehört der Pleier zur Untergattung der Pleitegeier, aber eigentlich möchte er weder da noch irgendwo sonst dazugehören. Er möchte am liebsten in Ruhe gelassen werden. Er ist ab seinem schlechten Ruf  enttäuscht und zeigt, durch den Verzehr der vielen Kadaver zu schwer geworden, ab und zu auch Anflüge von Verbitterung, weil er des Fliegens nicht mehr mächtig ist.
Trotz diesen auf Rückzug angelegten, depressiven Wesensmerkmalen findet man den Pleier praktisch überall auf der Welt. Er hat seinen festen Platz auf dem Henkersbaum oder dem Galgen längst eingetauscht gegen einen Platz hoch oben auf der Liste der definitiv nicht vom Aussterben bedrohten Tiere. Besonders eindrücklich ist die Bandbreite der Pleiten, bei deren Ankündigung sich der Pleier blicken lässt. Man trifft ihn ebenso knapp ausserhalb des Scheinwerferlichts von zum Scheitern verurteilten Friedensverhandlungen, wo er sich die Namen der Protagonisten merkt, die danach eigentlich definitiv entsorgt werden müssten, wie im Treppenhaus eines anonymen Wohnblocks, in dem sich gerade ein Ahnungsloser seinen persönlichen Lebensplan für die nächsten Jahre zurechtzimmert.
Trotz seines Schwermuts kann der Pleier zuweilen auch eine stupende Leichtigkeit an den Tag legen. Er pfeift dann sein Lieblingslied („Water of Love“ von den Dire Straits), in dem ein Vorfahr vorkommt, der noch fliegen konnte, und tanzt sich leichten Fusses an den Rand der nächsten Katastrophe.
(zitiert aus Walters Tierleben, 4. Auflage, Hirnfort am Main, 1975)

Das Gürtelrüss

16. Januar 2010

Das Gürtelrüss gehört zur sozialzoologisch schwer fassbaren Familie der Limbobilen und wirkt meistens abwesend bis apathisch. Es kann praktisch überall überleben, wo genügend Pausen gewährt werden und der Leistungsdruck nicht zu hoch ist. Für die Nahrungsaufnahme zieht es sich in verborgene Winkel zurück. Da seine Verdauung die Nahrung restlos absorbiert und verwertet (mit Ausnahme eines nach frischen Ledergurten riechenden Gases, welches es zwei Tage nach der Mahlzeit durch seinen kurzen Rüssel abgibt) und man somit auch nicht aufgrund von Kotfunden Rückschlüsse auf  seine Nahrung ziehen kann, ist bis heute nicht bekannt, wovon sich das Gürtelrüss ernährt.  Gürtelrüsse sind trotz ihrer zur Schau gestellten Teilnahmslosigkeit im Grunde sehr gesellige Tiere. Am liebsten spielen sie Domino oder einfache Versionen von Trivial Pursuit mit ungefähr gleichgrossen Tieren, die sie in den letzten Ferien kennengelernt haben.  Wenn ein Gürtelrüss ein Spiel gewinnt, kann es ohne weiteres  die ganze Nacht durchtanzen und den unterlegenen Spielgefährten am nächste Morgen geduldig und hingebungsvoll das Fell lecken. Forscher haben daraus den Schluss gezogen, dass die oberflächliche Apathie dem Gürtelrüss lediglich zur Tarnung dient, um auf uninteressante Zeitgenossen langweilig zu wirken und sie zum Weitergehen  zu veranlassen.

(zitiert aus Walters Tierleben, 4. Auflage, Hirnfort am Main, 1975)

Die Phlunx

9. Januar 2010

Die Phlunx stammt mit grosser Wahrscheinlichkeit aus Ägypten, wo sie Jahrhunderte damit verbrachte, Pyramiden und Pharaoen zu bestaunen, bis die  zuvor schon durch permanente Nichtbeachtung stark reduzierten Restbestände der sehr sensiblen Spezie im dritten Jahrhundert nach Christus  innerhalb weniger Wochen dahingerafft wurden – vermutlich von einer Allergie gegen die Dämpfe der Balsamierungsöle. Phlunx (seit dem Aussterben in der Einzahl und der Mehrzahl gleich geschrieben) sind insofern ein äusserst rares zoologisches Phänomen, als nur Weibchen nachgewiesen werden können. Die Phlunxforschung steckt noch in den Kinderschuhen, es wird aber vermutet, dass es ursprünglich auch männliche Phlunx gegeben haben muss. Diese hätten wegen ihres stärker ausgebildeten Egos die ihnen entgegengebrachte Nichtbeachtung schlechter ertragen als die Weibchen, ihr Staunorgan sei deshalb rasch verkümmert und sie seien ohne Bestätigung durch ihre Umwelt jeweils kurz nach der Geburt weggestorben.

(zitiert aus Walters Tierleben, 4. Auflage, Hirnfort am Main, 1974)

Das Heul

8. Januar 2010

Das Heul wird bisher erst vermutet, hauptsächlich aufgrund verschiedener, keiner bekannten Gattung zuordnungsbaren Funde von  versteinerten Tränen aus dem frühen Meso-Tristikum (3500-1800 vor Trost). Schon einige Male glaubten Forscher, das Heul anhand von Knochenfunden eindeutig bestimmen und seine Existenz endlich wissenschaftlich nachweisen zu können. Zuletzt weckte der australische Tristologe Bernard Loggins im Jahr 2007 Hoffnungen in der Forschergemeinde, als er behauptete, mit dem Heul direkt verwandte lebende Abkommen dieses sagenumwobenen Weinlings entdeckt zu haben. Leider stellte sich rasch heraus, dass es sich um gewöhnliche, wahrscheinlich durch Touristen aus Neuseeland eingeführte Schluchzer handelte, die in den Vororten von Sydney die Abfalleimer nach  Kitschromanen durchwühlten.